Sind wir die «Generation Abfall»?
Können Sie uns sagen, was in Ihrer Mülltonne steckt? Gerade jetzt? Ganz genau? Oder wie viel Müll Ihr Haushalt jährlich produziert – ohne Kompost und Papier, aber inklusive Elektromüll? Gar nicht so einfach, das auf Gramm, Tüte oder Einheit zu beziffern, nicht wahr?
Entsprechend schwierig ist es, Mutter Erde darauf abzusuchen, was sich auf ihr an Unbrauchbarem anlagert. Denn schon bei der Definition fängt es an: Was gehört zum Müll? Nur solides Material oder auch flüssige Stoffe wie beispielsweise Abwässer? Nur Haushaltsmüll oder auch Bauschutt und Sondermüll? Nur, was auf einer legalen Mülldeponie angeliefert wird oder auch, was illegal verbrannt oder verscharrt wird? Konzentrieren wir uns der Einfachheit halber also einmal auf zwei Sorten Müll: Siedlungsmüll und Elektro- und Elektronikschrott – beides lässt sich vergleichsweise gut beziffern.
Je reicher ein Land, desto mehr Abfall wird darin produziert
Einer der umfassendsten Berichte über die globale Müllmenge, der Bericht «What a Waste» der Weltbank, geht davon aus, dass weltweit jährlich 1.3 Milliarden Tonnen Siedlungsabfälle anfallen. Es handelt sich dabei um eine Schätzung, da – wie oben bereits dargelegt – ein genaues weltweites Inventar sehr schwierig, wenn nicht sogar unmöglich ist. Nicht zuletzt deshalb, weil die Müllmengen auch von verschiedenen Faktoren beeinflusst werden, die sich von Region zu Region und sogar innerhalb von Städten sehr stark unterscheiden können. Wie stark oder wenig ist ein Land industrialisiert? Welches lokale Klima herrscht vor? Welche öffentlichen Gewohnheiten im Umgang mit Müll gibt es?
Wenig überraschend zeigen Studien allerdings meist einen klaren Zusammenhang zwischen der Höhe des Einkommens der Bürger und der Höhe der konsumierten Güter – die natürlich wiederum mit den produzierten Müllmengen zusammenhängen. Als Grundsatz kann gelten: Je höher das Einkommen eines Landes, desto höher der Abfallberg jedes einzelnen Bewohners. In den OECD-Staaten, so schätzt die Weltbank, wird mit Abstand am meisten Müll produziert: jährlich durchschnittlich 520 Kilogramm pro Kopf. Die Schweiz bewegt sich dabei ganz weit vorne unter den unrühmlichen Spitzenreitern mit 742 Kilogramm pro Person und Jahr. Nur die Mülltüten der Dänen sind noch praller: sie schaffen 799 Kilogramm pro Person.
Wachsende Müllberge stellen Länder vor ernsthafte Probleme
Doch damit nicht genug: Die Weltbank schätzt, dass die heutige Menge von 1.3 Milliarden Siedlungsabfällen bis 2025 auf ungefähr 2.2 Milliarden Tonnen anwachsen wird. Dies ist – zumindest teilweise – die Schattenseite eines weltweit wachsenden Wohlstandes. Es ist nur zu verständlich, dass sich dieser auch in einem Anstieg von Produkten niederschlägt, die das Leben erleichtern – wie Waschmaschinen, Kühlschränke oder Staubsauger – oder die der Unterhaltung dienen. Die Schattenseite dieser an sich positiven Entwicklung: «Die Menge an Elektroschrott ist in Asien in den letzten fünf Jahren um 63 Prozent gestiegen – in China hat sie sich mehr als verdoppelt», konstatiert ein Report der Universität der Vereinten Nationen. Und die OECD warnt: «Es ist notwendig, den Verbrauch von Rohmaterial vom ökonomischen Wachstum zu entkoppeln.» Leichter gesagt, als getan. China und den Entwicklungsländern fehlen heute unter anderem funktionierende Infrastrukturen, um die anwachsenden Müllberge fachgerecht zu behandeln und abzutragen. Sammlung, Entsorgung und Wiederverwertung – nicht nur von Siedlungsabfall, sondern auch von ausgedienten Geräten – der ganze Rohstoffkreislauf muss unbedingt profes-sionalisiert und verbessert werden, um ernsthafte Umwelt- und Gesundheitsprobleme zu verhindern.
Schweiz in relativ komfortabler Situation – aber mit einem Auftrag
Dagegen ist die Schweiz mit ihrem dichten Netz an Sammelstellen, Recycling- und Kehrichtverbrennungsanlagen vergleichsweise gut aufgestellt und ein sorgsamer Umgang mit Rohstoffen wird bei uns bereits im Kindergarten gelernt. Von den hierzulande anfallenden Siedlungsabfällen wurden 2016 etwas mehr als die Hälfte rezykliert. In den OECD-Ländern ist hingegen deren Entsorgung in Deponien noch immer weit verbreitet.
Dennoch stünde es der Schweiz gut an, mit gutem Vorbild voranzugehen und die verbrauchte Menge an Gütern und Rohstoffen zu reduzieren. Müssen wir deshalb alle miteinander zu Konsumverweigerern mutieren? Gewiss nicht. Ein wichtiger erster Schritt wäre vielmehr, Qualitätsprodukten den Vorzug geben. Bei den Elektrogeräten beispielsweise könnte dies bedeuten, noch stärker darauf zu achten, wie und wo sie produziert wurden – und dass sie sowohl die erwartete Leistung zuverlässig erbringen, als auch eine hohe Lebensdauer haben.
© SENS eRecycling, März 2017