Ist die Schweiz bereit für Olympiagold im Jahr 2038?

Vom 26. Juli bis 11. August 2024 messen sich in Paris 10 500 Athletinnen und Athleten an 329 Wettkämpfen, um sich ihren grössten Traum zu erfüllen: den Gewinn einer Olympischen Medaille. Bestanden diese in Tokio aus 100% Elektroschrott, ziert in Paris ein Stück Alteisen vom Eiffelturm jede einzelne Medaille. Vorausgesetzt, die Olympischen Winterspiele werden 2038 in der Schweiz ausgetragen, wäre eine Schweizer Medaille aus 100% Elektroschrott realistisch oder müssten wir auf ein Stück Gestein aus dem Gotthard-Massivs zurückgreifen?

Tokio 2021 – Medaillen aus Elektroschrott

78 985 Tonnen Mobiltelefone, Laptops, Kameras und Spielkonsolen sammelten Japanerinnen und Japaner zwischen 2017 und 2019, um aus den daraus gewonnenen Wertstoffen 5 00o Medaillen für die Olympischen Sommerspiele 2021 anfertigen zu lassen. Dabei kamen 32 kg reines Gold, 3500 kg reines Silber und 2200 kg reines Kupfer zusammen. Ein Statement, das zeigt, dass das Thema Nachhaltigkeit längst auch den Sport erreicht hat und die Designer der Medaillen zu kreativen Höchstleistungen anspornt.

Paris 2024 – Aufwertung von 91,5 kg Alteisen vom Eiffelturm

Für die olympischen Medaillen in Paris entschieden sich die Franzosen für eine besondere Art von «Recycling»: Und zwar ziert ein 18-Gramm-Stück Alteisen vom berühmtesten Wahrzeichen von Frankreich – dem Eiffelturm – die Mitte jeder einzelnen Medaille. Hierfür befreiten die Designer ca. 100 Kilogramm Eisen von Rost und Dreck, die während der Renovationsarbeiten am 325 Meter hohen Wahrzeichen im 20. Jahrhundert aus Sicherheitsgründen vom Originalbau entfernt werden mussten. Daraus wurde für jede der über 5 000 Gold- Silber- und Bronze-Medaille ein Eisenstück in die geometrische Form Frankreichs – das Hexagon – geschliffen.

Olympia 2038 – Im Land des Recycling-Weltmeisters

Noch ist ungewiss, ob die Schweiz als Austragungsort für die olympischen Winterspiele 2038 auserwählt wird. Doch der Ansporn wäre gross, die Gold-, Silber und Bronze-Medaillen analog zu Japan aus 100% Elektroschrott zu produzieren. Denn die Voraussetzungen dazu könnten besser nicht sein: Bereits heute entsorgen Schweizerinnen und Schweizer ihre defekten Elektrogeräte vorbildlich: durchschnittlich 16 kg sind es pro Jahr, die pro Kopf dem Recycling zugeführt werden. So viel wie fast nirgendwo sonst. Möglich macht das ein eingespieltes Netzwerk, das aus über 1 200 Fachhändlern, Herstellern und Importeuren sowie 750 Sammelstellen und 16 Recyclingbetrieben besteht, die dank stetigen Innovationen längst zur internationalen Spitze gehöre.

Gesammeltes Edelmetall reicht für 400 reine Silber- und Goldmedaillen

In den vergangenen 33 Jahren wurden dank dieses ausgeklügelten Sammel- und Entsorgungssystems insgesamt 1 452 110 Tonnen Elektrogeräte recycelt. Daraus wurden 703 778 Tonnen Eisen, 51 982 Tonnen Kupfer, 9 012 Tonnen Zink, 198,5 Kilogramm Silber und 200,2 Kilogramm Gold zurückgewonnen. Allein aus dem gesammelten Eisen liessen sich 96 neue Eiffeltürme bauen und aus dem Kupfer und Zink 100 000 Bronzemedaillen für Olympia anfertigen. Auch das bisher recycelte Silber und Gold würde bei einem Gewicht von durchschnittlich 500g pro Medaille für 400 reine Silber- und 400 reine Goldmedaillen reichen. Bleibt die Frage, wie viele Medaillen überhaupt für die Winterspiele produziert werden müssten. Ein Blick in den Medaillenspiegel der letzten Olympischen Winterspiele von Peking zeigt, dass im Jahr 2022 insgesamt 109 Silber- und Goldmedaillen sowie 110 Bronzemedaillen vergeben wurden. Bei den Paralympics waren es je 78 Gold-, Silber- und Bronze-Medaillen. Während jedoch die Silber- und Bronzemedaillen ihren Namen gerecht werden, müssen Olympische Goldmedaillen nur aus 6g reinem Gold bestehen. Der Rest – mindestens 92.5 Prozent – besteht aus Silber. Das schreibt die IOC so vor.

Wenn nicht Olympia, dann eben Weltmeisterin

Bleiben also die Schweizerinnen und Schweizer in den nächsten 14 Jahren so sammelfreudig wie bisher, ist die Chance gross, dass der Bedarf an recyceltem Kupfer, Zink, Silber und Gold für mögliche Olympia-Medaillen 2038 gedeckt werden kann und die Schweizer Designer nicht auf Gestein des Gotthard-Massivs ausweichen müssen. An der Menge an Elektroschrott wird es jedenfalls nicht mangeln. Denn erst kürzlich wurde mit 62 Milliarden Kilogramm weltweit ein neuer Rekord an E-Waste gemessen. Und dies, obwohl die elektronischen Geräte immer kleiner werden. Besonders viel Elektroschrott fallen gemäss dem Global E-Waste Monitor 2024 in europäischen Ländern mit hohem Wohlstand an. Dazu zählt auch die Schweiz. Nehmen wir also Olympia als Ansporn, um weiterhin unseren Spitzenplatz im eRecycling zu halten und geben sämtliche Elektrogeräte, die wir nicht mehr brauchen, in den Kreislauf zurück. Und wenn dann die Olympia-Kandidatur trotz allem Engagement scheitern sollte, verteidigen wir zumindest unseren Weltmeistertitel im eRecycling.

So funktioniert das SENS-Netzwerk

Partner, die Teil des SENS-Netzwerks sind, erheben einen vorgezogenen Recyclingbeitrag (vRB) auf dem Kaufpreis eines neuen Elektrogeräts und zahlen den Betrag in einen separaten Fonds der Stiftung SENS ein. Mit diesem finanziert SENS eRecycling anschliessend den nachhaltigen und umweltverträglichen Transport sowie die Sammlung und Entsorgung der elektronischen und elektrischen Geräte. Dank diesem System können Konsumentinnen und Konsumenten ihre ausgedienten elektrischen oder elektronischen Geräte schweizweit kostenlos an den SENS-Sammelstellen zurückgeben oder überall dort, wo elektrische oder elektronische Geräte gekauft werden können.