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«Zero Waste» – was steckt dahinter?

«Refuse, reduce, reuse, recycle, rot» – nach diesem Prinzip leben Anhänger der «Zero-Waste-Bewegung» (deutsch: verweigern, vermindern, wiederverwenden, rezyklieren, verrotten). Idee und Name sind bereits älter – als trendige Initiative wurde sie von der franko-amerikanischen Bloggerin Béa Johnson ins Leben gerufen.

Sind Sie schon mal einem «Zero Waster» beim Einkaufen begegnet? Sie erkennen den überzeugten Abfallvermeider meist am Rucksack, in dem er oder sie ihre eigenen Verpackungen – von Gläsern über Tupperware-Dosen bis zu Baumwollbeuteln – mitbringt. Bei einem jungen, urbanen Publikum ist «Zero Waste» gerade sehr im Trend. Als dessen Anführerin gilt die franko-amerikanische Bloggerin Béa Johnson, die das Kunststück fertig bringt, mit ihrer vierköpfigen Familie gerade einmal ein Ein-Liter-Einmachglas mit Abfall zu füllen. Nicht etwa pro Tag, nein, pro Jahr!


Fröhlicher Verzicht auf Ballast

Wer sich jetzt mit Schaudern an seine verschrobene Großtante erinnert, die an Weihnachten jeweils die Einpackpapiere glatt strich, um sie mitsamt den farbigen Bändeln bei nächster Gelegenheit wieder verwenden zu können, liegt nicht so falsch – aber auch nicht ganz richtig. Béa Johnson und ihre Anhänger(innen) sind zwar ebenso entschlossen wie unsere sparsamen Vorfahren, kommen insgesamt jedoch sehr viel unverkrampfter rüber. Statt dass sie sauertöpfische Verzichts-Mienen aufsetzen und Verschwendern den Moralfinger zeigen, verfolgen sie unverdrossen fröhlich höhere Ziele: Nicht die Sparsamkeit an sich, sondern viel eher eine Reduktion von Ballast, eine Befreiung von den Abertausenden Dingen, mit denen wir Normalverbraucher uns herumschlagen müssen und die uns die Wohnung verstellen – und vor allem: den Weg zum Glück. «Verbringt Zeit mit Menschen, nicht mit Dingen» sagt auch Johnson, die nebenbei ganz schön Geld spart: Um rund 40 Prozent seien ihre Haushaltausgaben geschrumpft, seit sie nach dem Prinzip «Zero Waste» lebe.


Eine uralte Idee – neu interpretiert

Die längste Zeit in der Geschichte der Menschheit fiel kaum Abfall an. Archäologen fanden in Gruben zwar Tonscherben oder Knochen, doch darüber hinaus wurden die Bestandteile des Siedlungsabfalls meist wiederverwertet, an Haustiere verfüttert oder direkt verbrannt. Insofern ist die wohl durchdachte Vermeidung, Reduzierung oder Verwertung von Abfallprodukten letztlich eine Wiederbelebung eines uralten Prinzips. Der Begriff «Zero Waste» stammt aus den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts, als eine amerikanische Firma mit demselben Namen begann, kommerzielle Wiederverwertungsmöglichkeiten zu finden für chemische Abfallprodukte, die in der damals noch jungen Elektronikindustrie anfielen.


Radikaler Umbau des Lebensstils

Die Umstellung auf «Zero Waste» gelinge kaum über Nacht, warnen sämtliche Vertreter dieser Lebensart, sondern sei viel mehr als Weg oder Prozess zu betrachten. Der Einkauf will wohl überlegt und geplant sein, denn längst nicht alles, was man so im Alltag braucht, ist ohne Verpackung zu haben. Und wer seine Behältnisse mit in den Laden bringt, muss sich in der Regel erst einmal erklären. Béa Johnson pflegte anfänglich auf konsternierte Fragen oder Blicke knapp zu sagen: «Ich habe keinen Mülleimer.» Dies sei einfacher gewesen, erzählt sie, als auf lange, möglicher-weise ideologische Diskussionen einzusteigen. Keinen Mülleimer zuhause? Klar doch – her mit der Tüte!

Ist man als «Beuteltier» aber erst einmal bekannt, so seien einem freundliches Interesse und spannende Gespräche sicher, bestätigen auch Schweizer «Zero Waste»-Anhänger. Sie haben es allerdings (noch?) nicht so einfach. Hygieneregeln und Lebensmittelvorschriften erlauben es vielerorts nicht, dass die persönlichen Behältnisse über die Theke wechseln. Aber was nicht ist, kann noch werden. Inzwischen eröffnen auch in der Schweiz immer mehr Ladengeschäfte, in denen Lebensmittel und Dinge des täglichen Gebrauchs ganz ohne Verpackungen gekauft werden können.

Was allerdings selbst aus diesem Null-Abfall-Lebensstil nicht wegzudenken ist, sind moderne elektrische und elektronische Geräte. Ohne Kühlschrank, Tiefkühler, Waschmaschine und Staubsauger ist auch das abfalloptimierte Leben kaum vorstellbar. Ganz zu schweigen vom Computer – denn ohne diesen wären all die informativen und unterhaltsamen Blogs rund ums Thema «Zero Waste» unmöglich.

©SENS eRecycling, März 2017